Das Ziel

Ziel des Projektes

Das Projekt hat den alten und behinderten Menschen als Kunden im Focus.
Die Zahl der Menschen über 65 steigt in Deutschland nach einer Prognose der Bertelsmann Stiftung bis zum Jahr 2030 um 41,5 Prozent an. Diese Generation möchte möglichst lange selbstbestimmt leben können und aktiver Teil der Gesellschaft bleiben – und zwar bis ins hohe Alter. Das betrifft auch Menschen mit Behinderung. Barrieren kann es viele geben im Alltag. Damit, was man tun kann, um sie möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen und wie Dienstleister sich auf die besonderen Bedürfnisse einstellen können, haben wir uns in dem Projekt „Der Kunde mit besonderen Ansprüchen“ beschäftigt.
Mit dem Projekt „Der Kunde mit besonderen Ansprüchen“ möchte die Lebenshilfe Leinefelde-Worbis e.V. Generationenfreundlichkeit im Dienstleistungsbereich zu gelebter Wirklichkeit werden lassen. Ziel des Projektes ist, dass bundesweit alle Auszubildenden im Service, egal, in welchem Dienstleistungsbereich, in ihrer Ausbildung im Umgang mit alten und behinderten Menschen geschult werden. Es sollen so viele Auszubildende wie möglich einen persönlichen Kontakt zu alten und behinderten Menschen erleben. Nur so lassen sich Ängste und Hemmschwellen im Umgang mit ihnen abbauen.

Rollstuhlfahrer beim Friseurbesuch

Demografische Herausforderungen

Was für Menschen ohne Handikap alltäglich ist, wo man gar nicht mehr darüber nachdenkt, das kann für alte Menschen und für Menschen mit Behinderungen schon eine große Hürde sein. Menschen mit Einschränkungen begegnen uns im Alltag – im Kaufhaus, in der Bahn, beim Arzt, beim Friseur, im Lokal, kurz: In allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens. Das ist normal, denn die Bedürfnisse von alten Menschen und Menschen mit Behinderung sind die gleichen, wie bei den sogenannten normalen Menschen. Sie nutzen Dienstleistungen und zahlen dafür. Dennoch trifft man häufig auf Schwierigkeiten, wenn sie als Kunden in Erscheinung treten. Ein entscheidendes Kriterium für den richtigen Umgang mit Menschen mit besonderen Herausforderungen ist das Personal. Es gibt noch viel zu viele Hemmschwellen und Unsicherheiten auf der Seite der Servicekräfte und Dienstleister, die eine Kontaktaufnahme erschweren. Hier ist ein dringender Handlungsbedarf angesagt, junge Menschen im Dienstleistungsgewerbe zu befähigen, respektvoll mit dem Kunden mit besonderen Ansprüchen umzugehen. Außerdem muss das Serviceangebot von Handel und Dienstleistern erweitert und auf die Bedingungen des demografischen Wandels angepasst werden, denn der Kunde mit besonderen Ansprüchen ist vorwiegend ein „Vor-Ort- Kunde“ und kein „Online-Kunde“.

Wie sagte Sir Peter Ustinov so treffend: „Alt ist ein Mensch nicht, wenn es an seinem Körper zu zwicken beginnt, nicht, wenn das Treppensteigen schwer fällt, nicht, wenn die Augen nicht mehr so recht wollen, nicht, wenn sein Haar ergraut. Alt ist ein Mensch, wenn er aufhört zu staunen oder es überhaupt nicht gelernt hat, wenn also seine Phantasie ergraut.“

Zu allen Zeiten haben sich Menschen mit dem Thema Alter, den altersbedingten Einschränkungen und dem Umgang mit alten Menschen beschäftigt.

Ein schönes Beispiel ist das überlieferte Märchen der Gebrüder Grimm: Der alte Großvater und der Enkel:

Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floss ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen musste sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal satt. Da sah er betrübt nach dem Tisch, und die Augen wurden ihm nass. Einmal konnten seine zitterigen Hände das Schüsselchen nicht festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt; er aber sagte nichts und seufzte nur. Da kaufte sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus musste er nun essen. Wie sie da so sitzen, da trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. „ Was machst du da?“ fragte der Vater. „Ich mache ein Tröglein“, antwortete das Kind, „daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin.“ Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fingen endlich an zu weinen, holten dann den alten Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen. Und sie sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.

Beim Lesen denkt man sofort an Begriffe, wie: die Würde des Menschen, Selbstbestimmung, Inklusion, Gleichberechtigung und Teilhabe. ( aber auch an Angst vor dem alt sein)

Natürlich ist das Älterwerden gekennzeichnet durch den allmählichen Abbauprozess mit körperli-chen und seelischen Veränderungen, was auch als durchaus normal und nicht änderbar anzusehen ist, aber Dank einer guten medizinischen Versorgung sind die Menschen bei uns in Deutschland heutzutage zumeist als Senioren noch lange nicht alt im Sinne von körperlich oder geistig gebrechlich. Sie fühlen sich selbst längst noch nicht zum „alten Eisen“ zählend und haben daher auch nach wie vor Ansprüche und Erwartungen an ihr Leben, zumal sie, im Gegensatz zu früher, über viel Freizeit verfügen.

Garderobe im Theater

Mit dem Projekt wollen wir die Sensibilität dafür wecken, zu erkennen, wo Hindernisse bestehen können und wie sie beseitigt oder umgangen werden könnten. Mit den zu erstellenden Lehrmitteln (Videofilme und Schulungsmaterial) sollen konkrete Hinweise gegeben werden, wie mit dem Kunden mit besonderen Ansprüchen umzugehen ist, wie die Bedürfnisse älterer Menschen berücksichtigt werden können und wie die Kundenbeziehung zum gegenseitigen Nutzen optimiert werden kann. Wir wollen dem Einzelhandel und allen Servicedienstleistern Handlungsoptionen näherbringen, um die Dienstleister über die Zielgruppe „ältere und behinderte Menschen“ zu informieren und sie bei der Einstellung auf diese Zielgruppe und den demografischen Wandel zu unterstützen. Weiterhin soll erreicht werden, dass geeignete Menschen mit geistiger Behinderung Hilfsangebote im Service mit ihren Potenzen von Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Offenheit unterstützen und so eine Chance bekommen, in einzelnen Dienstleistungsbereichen als Hilfskraft tätig zu werden. In den Vorgesprächen mit dem Wirtschaftsbeirat im Eichsfeld hat sich gezeigt, dass in allen Bereichen von Handel, Gewerbe und Dienstleistung ein Umdenken und eine Neuorientierung vonnöten ist, die dem demografischen Wandel Rechnung trägt und mehr Service und individuelle Unterstützung beinhalten muss.

Hilfe für Rollstuhlfahrer

Hintergrund

Im Alltag von Menschen mit Behinderung gibt es immer wieder Situationen, bei denen alte und behinderte Menschen übergangen und zu wenig wertgeschätzt werden. Klassisch ist, wenn die Kassiererin im Supermarkt den Kunden mit Down-Syndrom duzt, weil dessen Auftreten und Sprache kindlich wirken. Ursache sind sicher nicht Bosheit und Geringschätzung, sondern Unsicherheit und Unwissen. So sehr das Personal in Einzelhandel ,Service oder Gastronomie es gewohnt ist, mit unterschiedlichen Menschen umzugehen und allerlei Sonderwünsche zu erfüllen – so unsicher werden viele angesichts einer Behinderung. Das Unwissen führt manchmal auch dazu, dass der Service nicht behindertengerecht ist. In den Videos wurden gerade solche Beispiele aufgegriffen, die im Alltag immer wieder und überall auftreten und kaum noch als negativ bemerkt werden. Erst, wenn man diese Beispiele, freilich übertrieben, vor Augen geführt bekommt, wird klar, wie leichtfertig und oberflächlich wir Menschen häufig miteinander umgehen. Es sind die kleinen Barrieren, die Menschen mit Behinderung belasten und die sie schlimmstenfalls davon abhalten, unter Leute zu gehen und selbstbestimmt ihren Alltag zu regeln. Dazu gehört die richtige Anrede – also das respektvolle „Sie“ – aber gleichzeitig eine einfache, deutliche Ansprache. Wichtig ist auch, sich Zeit zu nehmen. Weil Menschen mit geistiger Behinderung oft nicht lesen können, brauchen sie eine persönliche Beratung bei der Auswahl der Speisen – oder jemanden, der sie im Regal-Labyrinth des Supermarkts zum gesuchten Produkt führt.
In unserem Projekt geht es um alte und behinderte Menschen gleichermaßen. Die mit dem Alter der Menschen einhergehenden gesundheitlichen Veränderungen, verändern auch die Ansprüche an Produkte und Dienstleistungen. In diesem Anspruch gleichen sich Menschen mit Behinderung und alte Menschen. Mit dem Projekt „Der Kunde mit besonderen Ansprüchen“ haben wir die Möglichkeit „den Finger in die Wunde zu legen“. Wir wollen erreichen, dass junge Menschen in der beruflichen Ausbildung lernen, wie man der Personengruppe alte und behinderte Menschen und ihren Bedürfnissen gerecht wird.

Kaffee wird an den Platz gebracht

Stand der Alterspyramide und Ausblick

https://service.destatis.de/laenderpyramiden/

Bevölkerung im Jahr 2015
Freistaat Thüringen Insgesamt   2,1 Millionen
davon:

jünger als 20 Jahre 15.8%
20-64 Jahre 59.8%
65-Jährige und Ältere 18%
80 Jahre und älter 6.5%

Laut statistischem Bundesamt, zeichnet sich zunehmend die Entwicklung einer Gesellschaft der Alten ab: War 1950 nur jeder siebte Deutsche 60 Jahre und älter, waren es 2001 schon knapp ein Viertel der Bevölkerung. Im Jahr 2050 wird jeder dritte Deutsche älter als 60 Jahre sein. Umgekehrt wird der Anteil der jungen Menschen weiter abnehmen. Heute sind gut ein Fünftel der Deutschen jünger als 20 Jahre, 1950 waren es etwa 30 Prozent. Für 2050 prognostiziert das Statistische Bundesamt einen Anteil von nur noch 16,3 Prozent.

Es werden mehr Menschen über als unter 50 Jahre alt sein.

Der Altersaufbau wird sich dann innerhalb von hundert Jahren umgekehrt haben: 2050 wird es mehr als doppelt so viele ältere wie junge Menschen geben, während 1950 noch doppelt so viele Menschen unter 20 Jahre wie über 60 Jahre waren. Die Verschiebungen in der Altersstruktur  bewirken,  dass  der  Bevölkerung  im  Erwerbsalter  künftig  immer  mehr  Seniorinnen   und Senioren gegenüberstehen werden. Im Jahr 2013 entfielen auf 100 Personen im  Erwerbsalter  (von  20  bis  64  Jahren)  34  Personen  die  mindestens  65  Jahre  alt  waren.  Im Jahr 2060 werden es bei einer kontinuierlichen demografischen Entwicklung und

schwächerer Zuwanderung 65 ältere Menschen sein. Beträgt der jährliche Zuzugsüberschuss langfristig 200 000 Personen, fällt der Altenquotient mit 61 Personen im Alter von 65 Jahren und höher je 100 Personen im Erwerbsalter nur wenig niedriger aus.

Alte Menschen können mit ihrer Erfahrung und ihrem Entwicklungspotential einen entscheidenden Beitrag zur Identifikation von Problemen, zu Planungen aller Art und dem Gelingen einer Gesellschaft für alle Lebensalter beitragen.

Hilfe im Restaurant